Integration

Der werte Ehegatte und ich hatten gestern ein sehr intensives, interessantes Gespräch über das Leben in der Alpenrepublik und meine Beziehung zu ebendieser und er hat festgestellt, dass mein integrationsprozess mangelhaft funktioniert.
Weil uns gehörig langweilig war, haben wir auch eine Tabelle erstellt, um meinen und seinen Integrationsgrad (ein wahnwitzig seltsames wort), festzustellen. Als Parameter dazu haben wir - als g`lernte österreicher - die Integrationsvereinbahrung hergenomen.

§ 14. (1) Die Integrationsvereinbarung dient der Integration rechtmäßig auf Dauer oder längerfristig niedergelassener Drittstaatsangehöriger. Sie bezweckt den Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache, insbesondere der Fähigkeit des Lesens und Schreibens, zur Erlangung der Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich.
http://www.integrationsfonds.org/cms/Default.aspx?grm2catid=19&tabid=61

E Voilà
Sprache
Ich: spreche einfach lieber Englisch. Benutze an manchen Tagen Deutsch nur als Verkehrssprache, weil die slowakische Kellnerin im Lieblingskafee nun mal kein Englisch spricht.

Ehegatte: steht wahnsinnig auf Dialekte und pflegt sie, in dem er sie beinhart vermischt und dialektale Begriffe mit neuen bedeutungen versieht. Findet zwar, dass sich deutsch anhört, als würde jm. mit vollem mund essen, weigert sich trotzdem standhaft, seine (viel schönere Muttersprache zu sprechen), was besonders seltsam wird, wenn er mit seinen landsleutInnen deutsch spricht.

Gesellschaftliches Leben
ich: habe in einem vorigen Blogeintrag bereits festgestellt, dass mein soz. Umfeld einen grossen migrationshintergrund darstellt.
der gatte: will momentan seinen migrationshintergrund einfärben und ist verzweifelt auf der suche nach österreichern.

teilhabe am kulturellen leben in österreich
ich: schau mir praktisch keine österr. filme an. gibt ja auch nicht so viele. Nehme weder am kulturellen Leben teil. beim politischen würd ich ja mitspielen, steh aber irgendwie auf der "anderen" seite, bin mir also nicht sicher, ob das zählt. ausserdem interessiert mich kambotschanischer geschichte mehr als unsere sinnlosen kaiserInnen.
gatte: rümpft die nase, weil es keine österreichischen Filme gibt und deponiert seinen unmut bei mir, die sich so gar nichts mehr im Fernsehen anschauen kann.

Teilnahme am wirtschaftlichen Leben
ich: habe hier schon das nächste problem, mein Job ist nun mal für nicht ÖsterreicherInnen geschaffen worden. Und einkaufen tu ich eigentlich überall, dazu muss ich aber nicht wirklich österreichisch sein, obwohl mir der Türke ums Eck mit Lebensmittel an sich, einkaufsatmosphäre (ein österr. kaufhaus hat mich noch nie zum tee und tratsch eingeladen) und v.a. flexiblen öffnungszeiten.

der gatte: schöpft dialekte aus seinem wirtschaftlichen leben und nimmt diese mit. abstriche gibt es aber (endlich!!) - der Türke ums eck ist auch ihm lieber, u.a. weil es dort
halal fleisch gibt.

Wir haben also festgestellt, dass ich nicht integriert bin, zumindest nicht so, wie ich lt. öffentlichem Diskurs über Integration an sich sein sollte.

Ich komm immer noch nicht ganz mit, wohin ich mich integrieren soll.
Zu meiner ersten Familie, zu meiner zweiten, zu meinen Freunden, zu Wien, zum Dorf ?
Oder zum Österreicher, zu Europa, einer Partei, einer Gesinnungsgemeinschaft?

Wissen Sie was, ich bin eigentlich ganz froh, dass ich ein buntes Leben und ein buntes Umfeld habe.

Dass die Ehe mit dem werten Gatten und diesen Umständen ein grosses Konfliktpotential beinhaltet bin ich mir sicher - was, wenn er mal eine g`standene Österreicherin kennenlernt, die im Dirndl herumrennt, wunderbares tirolerisch spricht, die landesgrenzen nie verlassen hat, am liebsten urlaub in den bergen macht, deren lieblingsfilm sound of music ist und die sowohl am kulturellen, wirtschaftlichen und sozialem Leben in Österreich teilnimmt?
Und hat der Gatte die nächsten 50 Jahre die Nerven, mich integrieren zu wollen, und das, obwohl ich mich als äußerst integrationsunwillig herausstellen werde (im moment tu ich noch so, als würd ich wollen und koch hin und wieder schnitzel)?

Wir werden sehen.

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